Motorrad begegnet Pkw...

von Henning Nickaes   

Die Zahl der Motorräder und Motorroller im Straßenverkehr nimmt ständig zu. Damit kommt es naturgemäß immer häufiger zu Begegnungen zwischen Auto- und Motorradfahrern. Ein Großteil verläuft absolut problemlos und undramatisch. Hin und wieder gibt es aber doch Reibereien.

In den seltensten Fällen handelt es sich dann um absichtliches Fehlverhalten. Oft stellt sich vielmehr heraus, dass Motorradfahrer und Pkw-Fahrer einfach zu wenig voneinander wissen.

Viele Pkw-Fahrer meinen z.B. immer noch, dass Motorräder in jedem Fall wendiger sind als Pkw und auch kürzere Bremswege als diese erzielen. Im Gegenzug wissen viele Motorradfahrer nicht, wie schwer sie es Autofahrern machen, wenn sie nicht genügend für ihre eigene »Sichtbarkeit« sorgen: Sie schöpfen einerseits bei der Farbe des Helmes, der Motorradkombi oder auch des Motorrads nicht alle Möglichkeiten aus. Andererseits wählen sie öfter als nötig eine Fahrlinie, bei der sie kaum oder nicht ausreichend zu sehen sind. Auch legen sie gelegentlich ein Fahrverhalten an den Tag, das nicht rundum Zustimmung findet.

Bremsen

Die Bremswirkung ist beim Auto und Motorrad prinzipiell die gleiche. Unterschiedliche Bremswege, die sich in der Praxis zeigen, haben in erster Linie etwas mit dem Fahrer zu tun. »Notbremsung« heißt für den Pkw-Lenker: Schlagartig und mit aller Kraft auf das Pedal treten, so dass die Räder blockieren bzw. das ABS an allen vier Rädern wirkt. Dies allein ist leichter gesagt als getan.

Noch weitaus mehr gefordert ist der Zweiradpilot. Die gleiche Situation verlangt von ihm eine beinahe akrobatische Leistung: Für ihn gilt es, Vorder- und Hinterradbremse getrennt zu bedienen und zu dosieren. Vorne wird aufgrund des Radlastwechsels die größte Bremskraft erzeugt. Mit der Vorderradbremse muss er deshalb möglichst schnell bremsen und sich in Zentelsekunden an die Blockiergrenze herantasten, ohne sie zu überschreiten. Die Hinterradbremse ist dagegen nicht so sensibel wie ihre »Vorarbeiterin«. Vergessen darf der Fahrer sie trotzdem nicht, denn ohne sie wird der Bremsweg länger.

Das bedeutet im Ernstfall: Blockiert die vordere Bremse, hat das oft einen schlimmen Sturz zu Folge. Bremst der Motorradfahrer zu zaghaft - vielleicht ist ja die Fahrbahn nass - muss er mit einer folgenschweren Kollision rechnen. Von seiner Bremskunst hängt es ab, ob er einen der beiden Fehler macht und damit zum Verlierer wird.
 

    — Autofahrer:
     
  • Trainieren Sie die Vollbremsung! Mit oder ohne ABS gilt: Treten Sie das Pedal schlagartig und mit aller Kraft.
  • Die Vorteile des ABS zu nutzen will erlernt sein: Trainieren Sie, gleichzeitig voll zu bremsen und zu lenken - am besten bei einem Sicherheitstraining.
  • Kalkulieren Sie ein: Motorradfahrer mit wenig Fahrpraxis brauchen längere Bremswege. Bei schlechter Witterung und ungünstigen Fahr-bahnverhältnissen gilt das für alle, auch für Routiniers!
     
    — Motorradfahrer:

  • Konzentrieren Sie sich auf die Vorderradbremse: Gehen Sie schnell bis kurz vor die Blockiergrenze; vergessen Sie die Hinterradbremse nicht.
  • Üben Sie richtiges Dosieren des Bremsdrucks bei unterschiedlicher Beladung und verschiedenen Fahrbahnbelägen - am besten bei einem Motorrad-Sicherheitstraining.
     

Beschleunigen

Aus größerer Entfernung und von vorn lässt sich oft nicht zuverlässig einschätzen, ob man es mit einem Kleinkraftrad oder mit einer »schweren« Maschine zu tun hat. Dabei kann diese Information entscheidend sein: Viele Motorräder verfügen nämlich über das Beschleunigungsvermögen von Rennwagen. Bei einem Ampelstart erreichen sie rasch hohe Geschwindigkeiten. Dazu kommt, dass sich manche Motorradfahrer vom Leistungsvermögen ihrer Maschinen hinreißen lassen, mehr Gas zu geben, als erlaubt und gut ist.

Die Situation ist allen wohl bekannt: Pkw und Motorrad stehen nebeneinander an der Ampel. Der Zweiradfahrer versucht, sich nach dem Start vor das Auto zu schieben - dessen Fahrer fühlt sich zu einer Wettfahrt herausgefordert. Vergebliche Liebesmühe! Fahrversuche belegen, dass sogar kleine Motorräder im Stadtgeschwindigkeitsbereich leistungsstarken Pkw's überlegen sind. »Schaltet« einer der Kontrahenten zu langsam, ist es schnell zu einer brenzligen Situation gekommen.
 

    — Autofahrer:
     
  • Seien Sie stets darauf gefasst, dass Motorräder sehr schnell näher kommen können - aus der Ferne sieht man ihnen PS-Zahl und Geschwindigkeit nicht unbedingt an.

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    — Motorradfahrer:
     
  • Rechnen Sie damit, dass viele Autofahrer Probleme haben, Beschleunigung
    und Geschwindigkeit von Motorrädern richtig einzuschätzen.
     

Kurven fahren

Eine Szene aus dem ganz normalen Verkehrsalltag: Ein Motorradfahrer überholt außerorts einen Autofahrer und legt sich mit beträchtlicher Schräglage in die nächste Kurve. Zurück bleibt ein Pkw-Lenker, der sich über die scheinbar völlig unnötige artistische Einlage des Bikers ärgert. Unverständnis ist die Folge - obwohl die Schräglage in der Kurve eine fahrphysikalische Notwendigkeit ist. Sie hat aber auch eine Menge mit Fahrspaß zu tun. Für den Motorradfahrer ist Schräglage sozusagen das Salz in der Suppe.

Motorradfahrer fahren Kurven innerhalb ihres Fahrstreifens jeweils von außen an.
Vor einer Rechtskurve holen sie demnach etwas nach links aus. Dabei kommen sie auch schon mal in die Nähe der Mittellinie, von wo aus sie den Straßenverlauf besser überblicken. Um Kurven »runder« zu fahren, lassen sie sich am Ende der Kurve etwas »hinaustragen«. Damit kommen sie näher in Richtung Straßenmitte. Es entsteht so ein größerer Radius, was wiederum eine gemäßigtere Schräglage erlaubt.
 

    — Autofahrer:
     
  • Motorradfahrer sind auf kurvenreichen Strecken öfter mal in der Nähe der Mittellinie unterwegs. Deshalb: Schneiden Sie keinesfalls die Kurven.

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    — Motorradfahrer:
     
  • Achten Sie besonders bei Linkskurven darauf: Sie brauchen in der Schräglage viel Platz - nicht nur das Vorderrad, sondern auch der Kopf gehört auf die eigene Fahrbahnseite!

 
  Über den Autor
 
  Henning Nickaes  

Henning Nickaes

auch nur »Nick« genannt und seit 1984 Fahrschulinhaber.
Meine Hobbys sind: Als Fahrlehrer arbeiten, denn die Arbeit macht mir immer noch sehr viel Spaß. Außerdem noch Motorradfahren auf meiner Harley, Tauchen und Erstellen von Tauchfilmen. Eigenes Filmstudio vorhanden. Vizepräsident der Tauchorganisation DIWA und VDTL Kinder-Club Betreuer.

 
     
   E-Mail   Homepage: www.nicks-fahrschule.de  
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Amtliche Prüfungsfrage Nr. 2.1.07-104 / 3 Fehlerpunkte

Sie fahren in eine Rechtskurve; ein Motorradfahrer kommt Ihnen mit hoher Geschwindigkeit entgegen. Womit müssen Sie rechnen?

Der Motorradfahrer

- könnte wegen der starken Schräglage mit seinem Oberkörper in Ihren Fahrstreifen hineinragen

- muss die Kurve wegen der Fliehkraft dicht am äußeren Fahrbahnrand durchfahren